Die Arbeits- und Wirtschaftswelt wird zunehmend komplexer. Lange Planungszyklen und komplizierte Entscheidungswege passen nicht mehr zur hohen Dynamik der Märkte. In vielen Unternehmen haben agile Methoden wie SCRUM und Design Thinking längst Einzug in die Software- und Produktentwicklung gehalten.
Doch wie sieht es in den Personalbereichen aus?
Regeln, Gesetze, lange Verhandlungszyklen für Betriebsvereinbarungen …
Oft genug wird HR im Unternehmen eher als Verhinderer statt als agiler und vernetzter Kulturgestalter wahrgenommen.
Die Serie „Agile HR“ gibt Impulse, wie Sie im und aus dem HR Bereich heraus agile Prinzipien ausprobieren und vorleben können.
Agilität ist keine Methode, sondern zu allererst eine Haltung. Das Manifest für Agile Softwareentwicklung fasst die Wertehierarchie wie folgt zusammen:
Die soziale Dimension der Arbeit und Zusammenarbeit mit allen Beteiligten (also eigentlich eine der HR-Kernkompetenzen) ist in diesem Sinne höher zu bewerten als die rein technischen Aspekte. Prozesse, Werkzeuge und Dokumentation dienen nicht dem Selbstzweck, sondern lediglich als Hilfsmittel. Der Fokus liegt auf den Bedürfnissen aller Beteiligten und dem Stiften von Mehrwert und Nutzen.
Am Beispiel des Prozesses der Mitarbeiter(jahres)gespräche, den viele Unternehmen durchführen, zeige ich nachfolgend auf, was eine agile Wertehierarchie bedeuten könnte:
Die aktuelle Realität in vielen Unternehmen sieht so aus:
- HR führt mit viel Aufwand Systeme zur digitalen Dokumentation der Gespräche und Zielvereinbarungen ein, verknüpft mit intelligenten Schnittstellen zu anderen HR-Prozessen. Nicht selten verschiebt sich der Fokus auf die Prozessabwicklung.
Die Qualität der Gespräche scheint zweitrangig. Manche Gespräche finden in der Realität vor dem Rechner statt oder verkommen zur schriftlichen Kommunikation. - Vereinheitlichung führt dazu, dass viele Inhalte abgearbeitet und ausgefüllt werden müssen, obwohl sie von den Gesprächspartnern als nicht relevant erachtet werden
- Nicht selten ziehen sich Verhandlungen von Betriebsvereinbarungen zur Einführung solcher HR-Systeme wie Kaugummi und verlieren sich beispielsweise in datenschutzrechtlichen Tiefgründen statt in der Frage, was nutzbringend für die Leistungsfähigkeit des Unternehmens und seinen Mitarbeitenden ist.
- HR wird oft gemessen an der Anzahl durchgeführter Mitarbeitergespräche im Unternehmen. Sind alle Gespräche geführt, hat HR einen guten Job gemacht. HR rutscht in eine nervende Controlling-Funktion, die den Führungskräften mit „Du hast noch nicht… !“ regelmäßig auf die Füße tritt. Mit Selbstverantwortung bei Führungskräften und Mitarbeitenden hat das wenig zu tun.
Wie könnte nun eine agile Haltung aussehen?
Dazu tauschen wir uns ausführlich in unseren Praxistrainings „Agile HR“ aus. Informieren Sie sich hier über unsere nächsten Termine.
- Gesprächs- und Prozessleitfäden sind professionelle Hilfsmittel, die idealerweise das Gespräch unterstützen und an relevante Themen erinnern. Wichtiger ist jedoch die Qualität des Gesprächs und die Beziehung an sich. Führungskraft und Mitarbeiter*in tragen selbst die Verantwortung für „ihr Gespräch“.
- HR, Betriebsrat, Führungskräfte und Mitarbeiter arbeiten zusammen, um – fern von Machtspielen – eine nutzbringende Lösung zu gestalten. In diesem Sinne ist die Niederschrift der Betriebsvereinbarung zweitrangig.
- Während des Diskussions- und Gestaltungsprozesses wird immer wieder Feedback der internen Kunden eingeholt. Dies kann zum Beispiel in einer erweiterten Arbeitsgruppe, in Führungskräfte-Meetings, in Mitarbeiterversammlungen oder schriftlich über die vorhandenen Kommunikationswege erfolgen.
- Fokus liegt darauf, dem internen Kunden, d.h. der Führungskraft und dem Mitarbeiter, schnellstmöglich Mehrwert zu bieten.
- Was bringt den größten Nutzen?
- Welches Hilfsmittel kann zügig zur Verfügung gestellt werden?
- Dazu gehört auch die Klärung, ob Mitarbeitergespräche in der praktizierten Form überhaupt zielführend sind und wenn nein, kreativ nach Alternativen zu forschen und sie zu erproben.
- System, Prozess und Betriebsvereinbarung sind so offen gestaltet, dass flexibel – ohne aufwendige Umprogrammierung oder neue Verhandlung – auf kleinere Veränderungen reagiert werden kann.
Nun, es ist klar: für eine solche Vorgehensweise müssen Sie, wenn vorhanden, zunächst den Betriebsrat gewinnen. Dazu kann es sinnvoll sein, sich gemeinsam mit den Betriebsratsmitgliedern in der agilen Arbeitsweise weiterzubilden oder für ein erstes Ausprobieren einen agilen Coach dazu zu nehmen.